Symposium 100 Jahre Roman Rubinstein
25. November 2017
11-15 Uhr
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Franz-Mehring-Platz 1, 10243
Roman Rubinstein sagte in einem Interview von 1997, dass ein Leben dann gelebt wurde, wenn sich darin für etwas eingesetzt wurde. Das Wichtigste sei, dass man am Ende in einen Spiegel gucken und sagen könne, das sei man selbst. Der Widerstand gegen bestehende Verhältnisse hat unterschiedliche Formen und Anlässe. Der 100. Geburtstag des Widerstandskämpfers Roman Rubinstein ist für uns Anlass über Formen des Widerstandes zu sprechen und antifaschistische Biographien auf ihre Bedeutung für politisches Handeln heute hin zu befragen.
Dazu veranstalten das Deutsche Mauthausen Komitee Ost gemeinsam mit der Rosa Luxemburg Stiftung am 25.November 2017 im Salon der Rosa Luxemburg Stiftung ein Symposium zum Thema „Formen des Widerstandes/ Bedeutung antifaschistischer Biographien“.
Am 8.8.2017 wäre Roman Rubinstein 100 Jahre alt geworden.
Roman war in Berlin geboren, wo er auch seinen politischen Kampf begann. Sein Onkel mütterlicherseits, Alexander Lekich, war ein Kampfgefährte Lenins und hatte ihn beeindruckt. Seine Ideen hatten Roman Fragen zu sozialen Missständen stellen lassen, welche in eine linksliberale Grundhaltung mündeten. Diese führte ihn Anfang der 1930er Jahre in den KJVD und damit in den (Straßen-)Kampf gegen die aufstrebende NSDAP und deren SA. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, wusste er nichts von der folgenden Brutalität der Machtergreifung, fand in seiner Gruppe ein Mädchen toll, wollte nicht als Feigling gelten und blieb also engagiert. In seiner Schule erklärten er und MitschülerInnen ihrem jüdischen Lehrer ihre Solidarität. Da er noch jung und unbekannt war, wurde er vom KJVD als Bote illegaler Zeitungen, Plakate oder Flugblätter eingesetzt. Gleichzeit beteiligte er sich in seinem Kiez Charlottenburg rund um den Kudamm an Flugblattaktionen. Vom Dach des KaDeWe aus ließen er und seine FreundInnen per „Weddinger Wippe“ Flugblätter mit antifaschistischen Parolen über die kauflustige Menge flattern. Für ihn war es ein Abenteuer.
1933 wurde er festgenommen. Da ihm jedoch nichts nachzuweisen war und sein Vater sich eingesetzt hatte, wurde er kurz darauf wieder frei gelassen. Nachdem die für ihn Verantwortlichen im KJVD ermordet worden waren, wurde ihm nahegelegt zu fliehen. Er stamme aus einer jüdischen Familie, er würde nun ebenfalls gesucht und ein weiteres Mal werde er nicht frei kommen. Roman hatte das Privileg für kurze Zeit bereits in Brüssel und Paris gelebt zu haben und dort zur Schule gegangen zu sein. So sprach er ein recht flüssiges Französisch. Längere geschäftliche Unternehmungen seines Vaters hatten ihm das ermöglicht. Zudem lebte die Schwester des Vaters, Luba, in Paris. Zu ihr floh er 1934.
Da es in Frankreich keinen KJVD gab, trat er in die KPD ein. Er blieb politisch aktiv. Er baute im Rahmen seiner Tätigkeit im von Henry Barbuse gegründeten Friedensbüro eine deutsche Exilgruppe auf, die sich das Leben im Paris der 1930er Jahre aufregend gestaltete. Unter anderem organisierten sie ein Exiltheater, zu dem Bertolt Brecht kam und dort mit Helene Weigel „Die Waffen der Frau Carrar“ aufführten. Auch Anna Seghers war zu Gast. Dem 7. Weltkongress der Komintern folgend gründete er mit anderen linken Jugendbewegungen 1935 die FDJ. Zu dieser „Aufregung“ gehörten aber auch lebensgefährliche Kurierfahrten Romans ins Saarland. Er war in den Abstimmungskampf einbezogen und überbrachte der dortigen kommunistischen Bewegung Propagandamaterial. Einige Zeit später schlug er sich auf eigene Faust nach Spanien durch. Er wurde nach kurzem Kampfeinsatz von ’seinen Leuten‘ festgesetzt und sollte aufgrund der Missachtung von Parteibefehlen zum Tode verurteilt werden. Dank der Fürsprache Artur Beckers kam er mit einem Parteiverfahren davon.
In Paris konnte er sich ungehindert bewegen. Er hatte einen polnischen Ausweis. Der Beginn des Krieges 1939 bedeutet für ihn daher die Einberufung in die polnische Armee. Natürlich dachte er, es ginge für ihn in den Krieg gegen Nazideutschland. Tatsächlich sollte seine Einheit Finnland im Kampf gegen die Sowjetunion unterstützen. Er konnte desertieren, lebte von nun aber ‚illegal‘ in Paris.
Als die Wehrmacht 1940 in Paris einmarschierte, blieb er unter Wenigen zurück und setzte mit seinen FreundInnen der Besatzungsmacht entgegen, was er konnte. Er verhalf zur Flucht, verklebte Zettel mit antifaschistischen Parolen, wartete stunden- und tagelang in einem Café auf Geflüchtete aus Deutschland, organisierte Unterkünfte und überlebenswichtige Papiere, rekrutierte Wehrmachtssoldaten für die Résistance, transportierte und deponierte Sprengstoff, überfiel zur Finanzierung des Widerstands Banken, spionierte die U-Boot-Bunker der Deutschen Marine an der französischen Atlantikküste aus und berichtet davon den Alliierten in London, lernte dabei Charles de Gaulle kennen, er brachte, inkognito im Dienste eines SS-Offiziers stehend, Zugpläne über Besuche führender Nazigrößen wie Hermann Göring in Erfahrung, beteiligte sich dann an den Planungen zu einem gescheiterten Anschlag auf den Zug, arbeitete zum Unterhalt in einer deutschen Rüstungsfirma, ebenfalls inkognito.
Als man 1943 bei ihm eine Pistole fand, flohen er und sein guter Freund Peter Gingold aus diesem Betrieb, nicht ohne eine Kasse mit 200.000 RM darin zu entwenden. Der SD kam Roman auf die Spur, nahm ihn fest, folterte ihn und deportierte ihn erst nach Compiegne und dann im Mai 1943 in das Konzentrationslager Mauthausen.
1942 hatte er seine Eltern, sie waren auch nach Paris geflohen, vor den Massendeportationen der Juden in Paris gewarnt. Da sie aber zum katholischen Glauben konvertiert waren, erwarteten sie nicht, als ‚Juden‘ deportiert zu werden. Als es an der Tür ihres Appartements klopfte, flüchtete Roman über die Treppe zum Hof und entkam, da er einem französischen Gendarmeristen die Pistole vor die Brust hielt. Erst 1972 erfuhr er, wie es seinen Eltern ergangen war. Wie er waren sie über Compiegne dann aber nach Auschwitz deportiert worden. Seine Mutter hatte noch ‚eine Nummer bekommen‘, seinen Vater hatten sie sofort ‚ins Gas geschickt‘.
Im Exil hatte er einen weiteren Schicksalsschlag erlebt. Er erfuhr vom Freitod seines Onkels Alexander. Er hatte sich aufgrund des stalinistischen Terrors das Leben genommen, was Roman aber erst später von seiner Tante Luba mitgeteilt bekam.
In Mauthausen saß er als Franzose ein, nicht als Jude. Er nahm auch hier am illegalen Widerstand teil und konnte aufgrund seiner Sprachkenntnisse Kontakte zu Russisch sprechenden Gefangenen herstellen. Da er Deutsch, Russisch, Französisch, Polnisch, ein bisschen Spanisch sprach, wurde er von der schweren und tödlichen Arbeit im Steinbruch weitgehend befreit und zu Dolmetscheraufgaben herangezogen. Seine weitreichenden Beziehungen und Kontakte im Lager erlaubten es ihm, ‚dem Tod mehrfach von der Schippe zu springen‘. Schwer krank wurden ihm in Quarantäne liegend Extrarationen zuteil. Als er mit einer Giftspritze getötet werden sollte, zog ihn ein spanischer Widerstandskämpfer, ihn erkennend, auf die Seite derjenigen, die nicht ermordet werden sollten. Ein weiteres Mal zum Tode verurteilt, tauschte Franz Dahlem, in der Schreibstube verantwortlich, seine Identität mit der eines Belgiers in der Nachbarzelle und setzte Roman auf einen Transport nach Gusen I. Der Belgier hatte zuvor Selbstmord begangen.
In Gusen wurde er im Mai 1945 befreit. Er kehrte nach Paris zurück. Seine 1943 ohne Nachricht zurück gebliebene Freundin nahm ihn auf und sorgte dafür, dass er wieder gesund wurde. Sie war Krankenschwester. Roman verließ sie, als sie ihn aufforderte, nicht dem Ruf der Partei ins Saarland zu folgen und endgültig Schluss mit der Politik zu machen. Die gemeinsame Tochter blieb bei ihr.
Im Saarland setzte er seinen Kampf für die kommunistische Bewegung fort. Er wurde von den französischen Alliierten festgenommen, da er verbotenerweise für die KPD warb. Wieder freigelassen ging er nach Berlin. Dort wurde er sesshaft. 1946 lernte er seine spätere Frau Ilse kennen und wurde 1954 Vater einer Tochter und 1956 Vater eines Sohnes.
Beruflich wollte er in die ‚operative Arbeit‘, wurde 1947 aber Journalist beim Funktionärsorgan „Wille und Weg“. Erst später wurde seinem Wunsch in die operative Arbeit zurückzukehren entsprochen. Er wurde Leiter der französischen Redaktion des Radio International Berlin (RBI).
1963 erhielt er als erster DDR-Bürger für seinen Widerstandskampf eine hohe militärische Auszeichnung Frankreichs.
1977 ging er in Rente. 1981 wurde er Großvater.
Die politische Wende traf ihn hart. Er war nicht nur mit dem Scheitern seiner politischen Idee, für die er ein Leben lang gekämpft hatte, sondern auch mit neonazistischen Anfeindungen gegen ihn und seine Familie konfrontiert.
1997 stellten Ärzte eine schwere Nierenschädigung fest, die, wie auch seine zunehmende Schwerhörigkeit, von den Misshandlungen der Haft des SD 1943 herrührten. Die letzten Lebensjahre war er gezwungen, sich täglich einer Dialyse zu unterziehen. Am 27. Juni 1999 starb Roman Rubinstein im Krankenhaus.
180 Jahre Lebenserfahrung – Geburtstage von Friedrich Schmid und Ludwig Einicke
Im Juni 2016 wurden Ludwig Einicke, Ehrenvorsitzender des Deutschen Mauthausen Komitee und Friedrich Schmid, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zusammen 180 Jahre alt. Ludwig feierte am 23.6. seinen 80. und „Fritz“ am 28.6. seinen 100. Geburtstag. Diesen Tage haben wir am 23. Juli 2016 gemeinsam gefeiert.
An diesem schönen Sommertag sind 35 Freundinnen und Freunde von Ludwig und Fritz in die Rosa Luxemburg Stiftung gekommen. Dabei waren langjährige Gefährten aus Österreich wie der ehemalige Vorsitzende der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer Peter Weidner und der Klagenfurter Professor Peter Gstettner. Angereist waren auch Mitglieder des DMKO aus der gesamten Republik. Sie brachten neben Geschenken auch Grußbotschaften und Anekdoten mit. Eva Mendl, ehemalige Vorsitzende des DMKO hatte eine Tonaufnahme von Fritz auf der seine Rezitationskünste im schönsten Berliner Dialekt zum Besten gegeben wurden.
Es war eine gelungene Veranstaltung, auf der die menschliche und politische Leistung von Ludwig und Fritz sehr gewürdigt wurde.
Gedenkveranstaltung zum 10. Todestag Otto Wiesners
Gemeinsam mit der Rosa Luxemburg Stiftung organisierte das Deutsche Mauthausen Komitee Ost am 13.2.2016 anlässlich des 10. Todestages von Otto Wiesner eine Gedenkveranstaltung unter dem Titel „Geschichte für die Zukunft“. Neben Reden und kulturellen Beiträgen stand die u.a. von Otto noch zu Lebzeiten iniitierte Biographien- und Erinnerungsarbeit im Zentrum. In insgesamt acht Stationen stellten SchülerInnen, LehrerInnen, HistorikerInnen und PädagogInnen die teilweise gemeinsame Arbeit des DMKO und der RLS vor.
Keine Ehrung von Nazis als „Opfer des Stalinismus“!
Es darf auch in der Zukunft nicht sein, dass an Orten zweifacher Vergangenheit ehemalige nationalsozialistischen Massenmördern, wenn auch Verfolgte der kommunisitschen Diktatur politische Aufmerksamkeit oder gar Anerkennung entgegengebracht wird.
Hier ein Protestbrief an den Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, aus aktuellem Anlass:
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