Konturen und Geschichte der Mahn- und Gedenkstätte

Bauliche Überreste

Die im KZ Mauthausen gefangen gehaltenen Menschen wurden am 5. Mai 1945 von einer Panzerdivision der US-Army befreit. Dieser Tag der Befreiung des Lagers gilt für sämtliche heute stattfindenden Umgestaltungsmaßnahmen der Gedenkstätte als Bezugspunkt.[1] Dies betrifft in erster Linie die wenigen, noch vorhandenen baulichen Überreste des Konzentrationslagers Mauthausen (KLM).

Die Veränderungen der baulichen Überreste des ehemaligen Lagers vollzogen sich in drei Phasen und fanden erst im Jahr 1970 ihr Ende. Nur in wenigen Fällen wurden Rekonstruktionen und Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Die meisten Zeugnisse wurden im Laufe der Zeit demontiert, abgerissen und/ oder verkauft. Die erste Phase umfasste das Ende des Krieges, die Befreiung und Auflösung des Lagers.[2] Für die Amerikaner stellte sich das Lager bei ihrer Ankunft als Tatort und menschliche Katastrophe dar. Ihre Maßnahmen waren dementsprechend neben der Dokumentation der Verbrechen zum Zwecke der Aufklärung und zur späteren juristischen Verfolgung der Täter vorrangig humanitär. Sie sorgten einerseits für die Repatriierung Reisefähiger, andererseits wurden die Verhältnisse im Lager und Umgebung so hergerichtet, dass die noch nicht zu repatriierenden ehemaligen Häftlinge genesen konnten.[3] Um der vom so genannten ‚Sanitätslager‘ ausgehenden Seuchengefahr zu begegnen, wurden dessen Baracken abgebrannt und dort, wie auch auf dem nahegelegenen SS-Sportplatz Leichen begraben, die nicht mehr bestattet worden sind oder an den Folgen der Haft starben. Zur Kennzeichnung stellte man gleich einem US-amerikanischen Soldatenfriedhof weiße Kreuze auf die Grabstätten. Durch Exhumierungen wurden 1955/56 dieses und in den 1960er und 1970er Jahren andere, auf Befehl der Nazis ausgehobene Massengräber aufgelöst und im Quarantänelager zentralisiert.[4] Ein disponibler Teil des Lagers wurde von ehemaligen Häftlingen in die Heimatländer mitgenommen. Sie waren Asservate für Prozesse, Relikte für Ausstellungen oder Ware zur Entschädigung der Haft.

Im Sommer 1945 wechselte im Zuge der Festlegung der Besatzungsgrenzen die Verantwortung für das Lager in die Hände der sowjetischen Zonenverwaltung, die es von August bis März 1946 als Soldatenunterkunft nutzte. Hiermit begann die so genannte pragmatische Phase. Nach Abzug der sowjetischen Soldaten kam es bis zur Übergabe des Lagers aufgrund von Plünderungen der umliegenden Bevölkerung und Demontagen der sowjetischen Verwaltung zu Konflikten zwischen den Verwaltungseinheiten.[5] Bereits in dieser Zeit nahmen sowohl die Gemeinde Mauthausen, als auch die sowjetische Verwaltung Verkäufe von Baracken vor.[6] Auch in den Jahren nach der Übergabe des nutzlos gewordenen Lagers ‚nutzen‘ die Menschen der Umgebung die Materialien für eigene Zwecke.

Wurden im Mai 1946 seitens des Landesverbandes ehemals politisch Verfolgter erstmals Forderungen zur Errichtung einer Gedenkstätte erhoben, so waren diese in der Übergabevereinbarung festgelegt, die am 20. Juni 1947 in Kraft trat, als das ehemalige KLM in die Verantwortung Österreichs gelegt wurde. Der nun mehr zur Debatte stehende Erhalt der baulichen Überreste zum Zwecke der Errichtung einer Gedenkstätte war in dieser dritten Phase vor allem eine finanzielle Frage. So wurden im Laufe der Jahre nahezu alle Baracken des ehemaligen KLM verkauft. Auch der vollständige Abriss der baulichen Überreste und die Errichtung eines weithin sichtbaren Kreuzes an der Stelle, wo heute ein Sarkophag steht, wurden bis zur Eröffnung im Mai 1949 immer dann erwogen, wenn es darum ging, Gelder zur Renovierung und Instandhaltung bereit zu stellen. Begleitet waren diese Diskussionen von Deutungskämpfen zur Darstellbarkeit der im KLM verübten Verbrechen und des dort erlittenen Leides.[7] Dass die Gedenkstätte letztlich im Rahmen einiger privilegierter baulicher Überreste gestaltet und erhalten wurde, begründet B. Perz einerseits mit den in Relation zu einem Abriss niedrigeren Kosten und mit den Verpflichtungen gegenüber der UdSSR andererseits.[8] Wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung, was erhalten und was verkauft werden sollte, hatte die Festlegung ihrer Grenzen, die im Vorfeld der Eröffnung der Gedenkstätte abgesprochen wurde. Gehörten mit der Eröffnung am 2. Mai 1949 nur das Schutzhaftlager, das Sanitätslager, der Lagerbereich der SS zwischen Steinbruch und Häftlingslager als auch die Todesstiege zum Areal, nicht jedoch der Wiener Graben, so wurde die Gedenkstätte in den Jahren bis heute stetig erweitert.[9] Anfang 1950 wurde der Weg von der Todesstiege zum Lager als Bestandteil ergänzt[10] und im August 1957 wurde der Steinbruch ‚Wiener Graben‘ nach Klärung seiner negativen Wirtschaftlichkeit ebenfalls in die Gedenkstätte integriert.[11]

Zentraler Überrest und Ikone für das ehemalige KLM ist die Vorderansicht, die es gleich einer Festung präsentiert. Es ist gerade jene Ansicht, die Mauthausen auf den ersten Blick als ein Denkmal[12] wahrnehmen lässt. Geprägt ist sie durch die erhöhte Lage des ehemaligen KZ. Läuft man aus der Ortschaft Mauthausen kommend die Erinnerungsstraße herauf, so tut sich das ehemalige KZ langsam auf. Wie eine Festung zeigen sich zwei Mauern, die dort, wo sie ein Stück parallel verlaufen, den Garagenhof der SS bilden. Verbunden sind sie durch zwei hintereinander stehende Wachtürme, die die Einfahrt in den Garagenhof der SS überwachten. Während eine der Mauern nordwestlich weitergeht, zieht sich die hintere Richtung Südwesten. Einzig vor den Mauern erhaltenes sind der Löschteich, unmittelbar neben der Straße, als auch der etwas abschüssig dahinter liegende, in seinen Umrissen noch erkennbare Sport- und Exerzierplatz der SS. Vom Ende des Garagenhofs führt eine Treppe herauf vor das Haupttor des Häftlingslagers, das auch nordwestlich an der Gedenkstätte vorbei, entsprechend des Weges der Häftlinge durch die nicht erhaltenen SS-Wachunterkünfte, über den heutigen Denkmalbezirk erreichbar ist. Sein Eingang ist, wie der des Garagenhofes, durch zwei gleich hohe Wachtürme umgeben. In einer Linie weiter Richtung Nordosten steht ein weiterer Wachturm, von dem aus der hintere Teil des Häftlingslagers überwacht wurde. Im ehemaligen Lager II finden sich dann erneut zwei Wachtürme. Wieder in der Vorderansicht erheben sich hinter den Mauern das Kommandanturgebäude. Die in Richtung Nord-west verlaufende Mauer grenzt den Bereich der SS aus der Blickrichtung, von vorn ab. Hinter der nach Nordost verlaufenden Mauer kommen, höher gelegen die noch erhaltenen Wäschereibaracke, das Lagergefängnis, die Küchenbaracke und das Krankenrevier zum Vorschein. Im hinteren Teil des Lagergefängnisses befinden sich die bis 1949 rekonstruierte Gaskammer sowie das Krematorium, die die Nazis Ende April 1945 zur Spurenbeseitigung demontiert hatten. In U-Form umschließt die Mauer das Schutzhaftlager an der nordwestlichen und südöstlichen Seite und grenzt im Nordwesten das Häftlingslager vom nicht mehr vorhandenen Bereich der SS ab. Weiterhin trennt sie es im Südosten, am Ende des Schutzhaftlagers vom ebenfalls geschliffenen Lager III ab. Im Schutzhaftlager selbst stehen parallel zu den genannten Baracken, getrennt durch die Appellstraße, auf die man durch das Haupttor kommt, noch die Baracken 1,6 und 11. Hinter der Baracke 11, der letzten Baracke auf dieser Seite, befindet sich das Lager II, das innerhalb das durch kleinere, ebenfalls erhaltene Mauer unterteilt ist. Hier befinden sich keine Gebäude mehr.

Heute werden vormals ausgegliederte Bereiche wieder Bestandteil der Gedenkstätte, sei es durch Rückkäufe von zuvor an die ursprünglichen Besitzer gegebenem Land, durch  digitale Medien, wie Audiotour, Filme oder durch in der Umgestaltung befindlichen Kommentierungen. Das Lager III sowie die Aschehalde, die im Mai 1948 aufgrund von Besitzverhältnissen nicht in die Gedenkstätte übernommen werden konnten, wurden 2008 zurückgekauft und können nun in die Konzeption wieder aufgenommen werden. Auch wenn die Siedlungen der SS in der Ortschaft Mauthausen hingegen nie zur Gedenkstätte gezählt wurden, so sind sie doch Teil des ehemaligen KZ.

Lern- und Gedenkort

Gedenk- und Lernort lassen sich auf verschiedenen Ebenen analytisch von einander abheben. Während es beim Gedenken darum geht, eine Vergangenheit gegenwärtig zu halten, kleidet Lernen jenen Inhalt aus dem Abstrakten und macht ihn anwendbar. Räumlich können beide dort voneinander unterschieden werden, wo dem Ort deutlich erkennbar mit einer reflexiven oder empathischen Haltung begegnet wird.

Den Grundstein für eine Gedenkkultur im befreiten KLM legte die Einrichtung der Gräber durch die Amerikaner. Auch nach mehreren Exhumierungs- und Umbettungsunternehmen in den 1950er und 1960er Jahren gilt die Gedenkstätte in Teilen noch heute als Friedhof. So sind heute im ehemaligen Lager II, hinter der Baracke 11 zwei Friedhöfe eingerichtet. Im Zuge der Neugestaltung soll auch die Aschehalde in das Totengedenken einbezogen werden.[13]

Die in der zweiten Phase der Gedenkstätte durchgeführten Demontagen und Abrisse und Verkäufe der baulichen und disponiblen Überreste des Lagers zeigten, so B. Perz und M. Wimmer, dass Mauthausen nicht als historischer Ort betrachtet wurde, sondern vielmehr als Gedenkstätte und Mahnmal. Beide sprechen in der Intention der ehemaligen Häftlinge von einem „[…] Geschichtszeichen […], das über die Gegenwart hinausreichen und die Massenverbrechen ‚nie wieder‘ möglich machen sollte[14]. Das erste explizite Erinnerungszeichen der Gedenkstätte wurde anlässlich der Übergabefeierlichkeiten 1947 enthüllt. Die Tafel an einem Wachturm am Eingang des Schutzhaftlagers und enthält entsprechend dem nationalen und den Widerstand betonenden Narrativ der Jahre nach dem Krieg eine zahlenmäßige Aufstellung der nationalen Opfergruppen.

Weitere Einrichtungen der Gedenkstätte wurden mit ihrer Eröffnung am 2. Mai 1949 eingeweiht. Mit dieser hatten sich die Diskussionen um die vollständige Schleifung des Lagers und Errichtung einer von historischen Überresten befreiten, christlich konnotierten Gedenkstätte endgültig erledigt. Besonders der kommunistisch geprägte KZ-Verband hatte sich mit Unterstützung der sowjetischen Verwaltung durchgesetzt. Dabei stand ihm die staatliche Politik gegenüber. Während das Finanzamt darauf achtete, „[…] den finanziellen Aufwand für Mauthausen so gering wie möglich zu halten, diesen gleichzeitig am maximalen außenpolitischen Effekt auszurichten[15], setzten sich die organisierten Überlebendenverbände dafür ein, historische Überreste als Denkmal zu erhalten, von denen eine besondere Sinnstiftung für das Gedenken ausgeht.[16] An die Stelle eines immer wieder ins Gespräch gebrachten überdimensionalen Kreuzes wurde an zentraler Stelle der Appellstraße bzw. des Appellplatzes ein Sarkophag errichtet, der mit lateinischer Inschrift „Mortuorum Sorte Discant Viventes[17] versehen das Lager einerseits als Friedhof kennzeichnet, andererseits als Ort der Mahnung charakterisiert. Dazu wurde eine katholische Kapelle in der ehemaligen Wäschereibaracke und ein säkularer Gedenkraum eröffnet. Entstand ersteres wohl aufgrund eines Kompromisses zum nicht umgesetzten Kreuz,[18] war der Gedenkraum für Veranstaltungen der Staaten vorgesehen. 1955 wurde im so genannten Sanitätslager, auch als ‚Russenlager‘ bezeichneten Areal, ein Gedenkstein für die sowjetischen Gefangenen errichtet.

War das von der Sowjetunion 1948 zwischen Kommandantur und Schutzlagertor errichtete Monument, das dem Artillerie-General Dimitri Michailowitsch Karbyschew gewidmet war, das erste, gilt das am 22. September 1949 eingeweihte französische Monument im ehemaligen Bereich der SS-Unterkünfte als Vorbild für die folgenden Monumente.[19] In den folgenden Jahren errichteten eine Vielzahl von Nationen und später auch staatenübergreifende Opfergruppen, wie Juden, Sinti und Roma und Jugendliche dort Denkmäler. Ursprüngliches und nur im Ansatz umgesetztes Ziel war die Idee einer ‚ästhetischen Gestaltung und Anordnung‘ zu einem Gesamtdenkmal zur Unterstreichung des internationalen Charakters der Gedenkstätte unter dem dafür eingesetzten Architekten Wilhelm Schütte.[20] Heute ist der Denkmalpark landschaftlich gestaltet und gilt als Besonderheit der KZ-Gedenkstätte.[21] Neben diesem finden sich im Häftlingslager neben dem Eingang, vor der Wäschereibaracke, an der so genannten ‚Klagemauer‘[22] kollektive Gedenktafeln. Sie reichen von Gruppen und Parteien bis hin zu Nationen. Orte individuellen Erinnerns finden sich ebenfalls durch Tafeln gekennzeichnet im Krematorium.[23]

In der sozialen Dimension des Gedenkortes Mauthausen sind die jährlich stattfindenden Befreiungsfeierlichkeiten von Bedeutung. Dabei kann sie „[…] heute sowohl auf Grund ihrer Teilnehmerzahl als auch wegen ihres internationalen Charakters als die größte Gedenkfeier dieser Art betrachtet werden. Jedes Jahr finden sich zwischen fünf- und zehntausend Teilnehmer zu den Gedenkzeremonien ein; zu runden Jahrestagen kommen zwanzig- bis dreißigtausend Menschen[24]. Bis heute werden die Befreiungsfeiern in ähnlicher Weise durchgeführt. Ein Grund dafür besteht wohl darin, dass diese seit den 1950er Jahren bis heute vom Internationalen Mauthausen-Komitee, der internationalen Organisation der Überlebenden, organisiert und durchgeführt wurde. Bis 1964 blieben die kommunistisch orientierten Überlebenden aufgrund von Konflikten mit staatlichen Organisationen auch unter sich. Eine Annäherung der Positionen zwischen kommunistischen und konservativen Überlebendenorganisationen in den 1960er Jahren bereitete schließlich den Weg, die Gedenkstätte zum zentralen Gedenkort zu etablieren.[25] Die Monumente des Denkmalparks sind im Rahmen der Befreiungsfeierlichkeiten Teil der nationalen Gedenkfeiern und erfahren hier eine ritualisierte und institutionalisierte Nutzung.

Die zentralen Befreiungsfeierlichkeiten haben heute häufig auch kulturelles im Programm. Neben den Befreiungsfeiern zeichnet sich der Gedenkort durch eine besondere Eventkultur[26] aus. So wurde 1997 im Steinbruch Wiener Graben eine imposant inszeniertes Oratorium durchgeführt worden. 2000 spielten ebenfalls dort die Wiener Philharmoniker.

Zwischen Gedenken und Lernen sind jene Kommentierungstafeln anzusetzen, die mit der Entwicklung des Gedenkortes installiert wurden, kontextualisieren sie doch die Objekte und informieren mit dem Ziel, Gedenken zu stiften. Diese finden sich an Baracken, wie auch an der Treppe hinunter zum Steinbruch. Während im Zuge der Umbaumaßnahmen einige historisch bedeutsame erhalten bleiben, werden andere durch neue ersetzt und im Museumsdepot, dass errichtet werden soll, archiviert.[27] Dazu wird das Beschriftungssystem vereinheitlicht. Veränderungen in der Kommentierung und damit in der Deutung der Gedenkstätte wurden z.B. nach 1955 an Tafel am rechten Wachturm vorgenommen, indem hier die Sätze hinzugefügt wurden: „Bürger aus anderen Staaten und Staatenlose 3160. […] In diesen Zahlen [alle in der Aufstellung angegebenen. Anm. d.Vf.] sind nicht enthalten die Zehntausenden Opfer, welche bald nach ihrer Einlieferung ermordet wurden, ohne in irgendeinem Register erfasst worden zu sein.[28]

Den wesentlichen Schritt zur Etablierung als Lernort nahm die Gedenkstätte in den 1960er Jahren mit der Entscheidung zur Gestaltung einer Ausstellung, die zu einem Museum ausgearbeitet wurde. Anlass für die Einrichtung war ein verändertes Bewusstsein angesichts einer erwachsenwerdenden Generation, die den Nationalsozialismus (NS) nicht mehr bewusst selbst erlebt hatte. Auch die sich Mitte der 1960er Jahre entspannende internationale Situation hatte Einfluss auf die innerösterreichische Entwicklung.[29] Dabei galt es, eine österreichische Identität zu entwickeln und die Gedenkstätte in den Prozess des ‚nation buildings‘ einzubeziehen.[30] Anfang der 1960er Jahre gab es auch erstmals einen Aufruf des Wiener Schulstadtrates, die Gedenkstätte als Lernort zu besuchen. Doch erst mit der ständigen Ausstellung wurde dieser Aufforderung in der Breite nachgekommen. [31]

Die Gedenkstätte Mauthausen als Lernort entstand somit erst mit der Eröffnung des Museums 1970 und wird seither immer weiter entwickelt.[32] Es ist insbesondere der Lernort der Gedenkstätte Mauthausen, der heute eine weitreichende Umgestaltung erfährt. Kern dieser Arbeiten sind zum einen das bereits genannte neue Beschriftungssystem, die Gestaltung einer neuen Überblicksausstellung sowie die Formulierung von fünf themenzentrierten Ausstellungen an passenden Orten. Die neue Überblicksausstellung z.B. wird entsprechend der unter der Leitung von Hans Maršálek erstellten ersten Dauerausstellung im Krankenrevier untergebracht. In einer Übergangszeit wird diese in Kurzform erhalten und später archiviert. Den Leitlinien des Umgestaltungskonzeptes folgend wird der Umstand berücksichtigt, dass die Gedenkstätte selbst eine Geschichte hat. So müssen „[…] künftige gestalterische Maßnahmen […] den Status quo ante dokumentieren[33].

Im Zuge der Umbauarbeiten wurden und werden umfangreiche archäologische Grabungen durchgeführt. Diese sollen „[…] genauere Informationen über Topographie und noch vorhandene Spuren heute nicht mehr erkennbarer Lagerbereiche (Sanitätslager, Lager III, Zeltlager) liefern[34]. Anstelle von Rekonstruktionen sollen durch „[…] historische Kommentierung dieser Lagerbereiche […] die ursprüngliche Struktur und Ausdehnung des Lagers wieder lesbar gemacht werden […]“[35].

2003 wurde mit dem Besucherzentrum und der mit ihr verbundenen Bibliothek ein externer Lernort geschaffen. „Dementsprechend sollten dem Besucherzentrum museale, didaktische, logistische und verwaltungstechnische Funktionen zukommen.[36] Errichtet wurde es auf dem Gelände der Werkstätte und SS-Unterkünfte an der südwestlichen Seite des Lagers. Auch hier wurden zuvor Grabungen vorgenommen. Das Besucherzentrum mit dem Titel „Das Gedächtnis von Mauthausen“ ist in vier Module unterteilt. Hier haben die Besucher*innen Zugriff auf ein über 900 Interviews umfassendes Archiv. Es kann sich hier über die Geschichte der Gedenkstätte informiert werden, anhand von Opfer- und Täterobjekten dem ehemaligen KZ genähert werden oder an Computerterminals weitergehende Informationen recherchiert und digitalisierte Dokumente eingesehen werden.[37] Daneben werden Seminarräume zur Verfügung gestellt. „Nicht zuletzt sollte dem Gebäude auch die Funktion eines ‚Portals‘, also Ausgangs- und Endpunkt des Gedenkstättenbesuches, zukommen.[38]

Neben der Gestaltung der Ausstellungen hat der Lernort eine didaktische Dimension, die parallel zur Vermittlung der materiellen Objekte und der Geschichte der Gedenkstätte erarbeitet wurde. Dazu gehören neben einem neu entwickelten Audioguide, Führungen durch geschultes Personal,[39] sowie ein auf Erkenntnissen von Besucher*innenbefragungen entwickelter Rundgang, der mit den wesentlichen historischen Fakten vertraut machen und die Besucher*innen in die Lage versetzen soll, „[…] das Geschehene einzuordnen und zu bewerten[40].

Auf einer weiteren Ebene stehen die Vernetzungen mit Bildungseinrichtungen, anderen Trägern und die Koordination mit dem Bundesbildungsministerium sowie die Entwicklung neuer pädagogischer Angebote.[41]

Zwischen Gedenk- und Lernfunktion bewegen sich originalgetreu hergerichtete Räume wie das Besprechungszimmer oder eine Baracke. Zum Besprechungszimmer schreibt das Konzept der Neugestaltung, dass dieses „[…] unter Berücksichtigung der konservatorischen Bedingungen und in einer Form, die eine falsche Auratisierung des Ortes vermeidet, in die Ausstellungskonzeption eingebunden[42] werde.

Die umfangreichen Umbauarbeiten lassen erkennen, dass die Gedenkstätte eine wesentliche Rolle in der staatlichen Politik spielt. In seiner großen Bedeutung für die Erinnerungskultur Österreichs, fehlt der Gedenkstätte jedoch bis heute ein internationales Jugendzentrum, durch das notwenige Jugendprojekte realisiert werden können. Angesichts der Bedeutung der Gedenkstätte sind Unterbringungsmöglichkeiten für längerfristige Begegnungsprojekte jedoch dringend notwendig. Leider beziehen sich sämtliche Maßnahmen des Bundesministeriums des Inneren auf das Gedenkstättengelände, nicht jedoch auf externe Einrichtungen.



[1] BMI [Hrsg.]: Mauthausen Memorial Neu Gestalten. Rahmenkonzept für die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Wien 2009, S. 14.
[2]
Hier wird zwischen der Phase der „pragmatischen Nutzung“ (Ebenda. S. 10.) und dem unmittelbaren Kriegsende unterscheiden. Die von den Amerikanern durchgeführten Maßnahmen waren in Folge der im KLM verübten Verbrechen notwendig und stehen damit in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verbrechen. Als auf das Lager und die Verbrechen bezogenen Maßnahmen sind sie von einem Umgang mit dem Lager zu unterscheiden.
[3]
Perz, Bertrand: Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen 1945 bis zur Gegenwart. Innsbruck 2006, S. 33.
[4]
Ebenda. S. 166.
[5]
Ebenda. S. 52.
[6]
Ebenda. S. 51.
[7]
Vgl. Ebenda. S. 73f. 
[8]
Vgl. Ebenda. S. 103.
[9]
Einen Überblick über das Lager findet sich auf: www.mauthausen-memorial.at
[10]
Vgl. Perz: KZ-Gedenkstätte. S. 101.
[11]
Vgl. Ebenda. S. 168.
[12]
Damit meine ich den Prozess, in dem ein zu den Denkmalen zählendes Gebäude dann zu den Denkmälern gilt, wenn es in irgendeiner Weise öffentlich sichtbar kontextualisiert und mit einer Funktion für die Gegenwart besetzt wird. Vgl. Würfel, Maria: Denkmäler im Geschichtsunterricht. Denkmal – Denkmäler – Denkmale. Ein Wortspiel? In: Verband der Geschichtslehrer Deutschlands [Hrsg.]: Geschichte für Heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung. 1/2009,2, Schwalbach , S. 5-19.
[13]
BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. S. 14.
[14]
Perz, Bertrand/ Wimmer, Mario: Geschichte der Gedenkstätte. In: BMI [Hrsg.]: Das Gedächtnis von Mauthausen. 2003, S. 58-73, hier S. 64.
[15]
Perz: KZ-Gedenkstätte. S. 96.
[16]
Vgl. Ebenda. S. 77.
[17]
„Aus der Toten Geschick mögen die Lebenden lernen“
[18]
B. Perz vermutet, dass die Einrichtung eines christlichen Gedenkraumes dem Wunsch entgegenkam, anstelle der baulichen Überresten eine christlich konnotierte Gedenkstätte in Form eines Kreuzes zu errichten. Ebenda. S. 120.
[19]
Vgl. Ebenda. S. 169ff.
[20]
Vgl. Ebenda. S. 178.
[21]
Vgl. BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. S. 11.
[22]
Die neu eingelieferten Häftlinge standen hier mit dem Gesicht zur Mauer. S. http://www.mauthausen-memorial.at/db/admin/de/show_article.php?carticle=336&topopup=1
[23]
Vgl. Perz/Wimmer: Geschichte der Gedenkstätte. S. 66.
[24]
Prenninger: Symbole und Rituale der Befreiungsfeiern in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. In: Dittrich, Ulrike/ Jacobeit, Siegrid [Hrsgg.]: KZ-Souvenirs. Erinnerungsobjekte der Alltagskultur im Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen.  Potsdam 2005, S. 40-54, hier S. 42.
[25]
Vgl. Perz/Wimmer: Geschichte der Gedenkstätte. S. 67.
[26]
Vgl. Perz: KZ-Gedenkstätte. S. 254ff.
[27] BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. S. 25.
[28]
Perz: KZ-Gedenkstätte. S. 150. Die dort angegeben Zahlen sind jedoch in keiner Weise fundiert.
[29]
So wurde auf Initiative des kommunistischen KZ-Verbandes die ‚Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen‘ gegründet. Vgl. Ebenda. S. 219.
[30]
Vgl. Ebenda. S. 214.
[31]
Vgl. Ebenda. S. 215.
[32]
Vgl. Ebenda.
[33]
BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. S. 14.
[34]
Ebenda. S. 17.
[35]
Ebenda. S. 16/17.
[36]
Ebenda.
[37]
Vgl. http://www.mauthausen-memorial.at/index_open.php
[38]
BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. S. 44.
[39]
Im Zuge der Umgestaltungsmaßnahmen werden die Guides durch eine Schulung professionalisiert und auf die Anforderungen dieser Tätigkeit vorbereitet.
[40] Ebenda.
[41] http://www.mauthausen-memorial.at/index_open.php
[42]
BMI [Hrsg.]: Neu Gestalten. 2009, S. 40.