ERKLÄRUNG VON MADRID

Bei unserem Treffen in Madrid am 2. November 2019 – am Vorabend des 75. Jahrestages der Befreiung der Lager – begrüssen wir, Vorsitzende und Generalsekretäre der Internationalen Komitees der Vernichtungs- und Konzentrationslager der Nazis, die Arbeit der spanischen Behörden und der Amical de Mauthausen y Otros Campos für die Anerkennung der Deportation der spanischen Republikaner in die NS-Lager.


Nachdem wir die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Gedächtnisses für die Zukunft Europas (2919/2819 RSP) zur Kenntnis genommen haben, bringen wir unsere tiefe Besorgnis über die in diesem Dokumente übertragene fehlerhafte Sicht auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck. Wir sehen in dieser Resolution den Versuch, die Opfer des Nazi-Terrors und die Opfer des Stalinismus unter dem nichtssagenden Begriff des „Totalitarismus“ unreflektiert gleichzusetzen Wir werden immer die menschlichen Tragödien der Opfer des Stalinismus mit aller Ehrerbietung anerkennen – die versuchte Gleichsetzung oder das gegeneinander Ausspielen dieser beider Opfergruppen ist für uns jedoch unerträglich.


Wir können keinesfalls akzeptieren, dass die Grundpfeiler des Nazi-Terrors, nämlich
systemimmanenter Rassismus und Antisemitismus, die industrielle Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen – Männer, Frauen und Kinder – nicht genannt werden.
Wir hoffen, unseren Beitrag dazu leisten zu können, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Lager und des Endes des Zweiten Weltkriegs eine neue Entschließung ausarbeiten, die die Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus respektiert und die ehrgeizigen Botschaften, die sie uns hinterlassen haben, eine Entschließung, die ein klares Bekenntnis des Europäischen Parlaments gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Ausgrenzung sowie eine eindeutige Haltung zu den Menschenrechten und Solidarität zum Ausdruck bringt und eine Haltung der Offenheit gegenüber dem Anderen.

Wir bekräftigen unsere Forderung nach vollständiger Einhaltung der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 1993 zum europäischen und internationalen
Schutz der NS-Konzentrationslager als historische Denkmäler.


Wir begrüßen die Initiative des Internationalen Komitees von Mauthausen, im Rahmen des spezifischen Programms des Europarates, eine neue Kulturroute zu schaffen, die die Geschichte in der Geographie und im europäischen Raum sichtbar machen soll. Sie wird das europäische Netzwerk des nationalsozialistischen Terrors dokumentieren, sei es in Konzentrations- und Vernichtungslagern oder in Ghettos und bei den Todesmärschen.


Wir begrüßen das Engagement vieler junger Europäer zum Gedenken an die Opfer der NSLager. Wir ermutigen sie, ihren friedlichen Kampf für die Wahrung der Werte Freiheit , Achtung der Menschenrechte und internationale Solidarität fortzusetzen, die uns die Deportierten und Internierten hinterlassen haben, die den Aufbau Europas genährt haben.

Unterzeichner:
Internationale Komitees von Auschwitz//Buchenwald-Dora//Dachau//Mauthausen//
Natzweiler-Struthof//Neuengamme//Ravensbrück//Sachsenhausen//Vereinigung Flossenbürg//ANED//International Freedom Fighters Federation// Internationaler
Holocaust Remembrance Alliance

Die VVN war immer da

VVN-BdA: Sie sind die VVN-BdA
Foto: Florian Boillot

Ich war nie auf die Idee gekommen, in die VVN-BdA einzutreten. Ich bin in Berlin-Marzahn-Hellersdorf aufgewachsen. Die VVN-BdA war schon immer die Organisation, die Gedenktage und Informationsveranstaltungen zu historischen Themen organisiert hat. Sie war Unterstützungsstruktur, die nicht unbedingt attraktiv war für junge Leute. Sie hat aber auch sehr spät erst die Mitgliedschaft für Menschen geöffnet, die keine eigene Verfolgungsgeschichte haben oder Verwandte sind. Für mich waren das immer Genossen, mit denen man zusammengearbeitet hat. Dass ich seit zweieinhalb Jahren im Bundesausschuss sitze, liegt daran, dass ich Mitglied im Deutschen Mauthausen-Komitee bin [des ehem. KZ Mauthausen in Österreich, Anm. d. Red], das eine Untergruppierung der VVN-BdA ist.

Für mich war die VVN-BdA immer da. Ich hoffe, dass sie jetzt auch nicht verschwindet, weil ohne sie zumindest aktives Erinnern untergehen würde und die Stimme der Überlebenden verschwinden.

Anika Taschke, 28, ist Referentin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mitarbeiterin der Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch.

Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben!

Schwerer Angriff auf die VVN-BdA (PM der VVN)

Am 4. November hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin der Bundesvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen. Damit verbunden sind vorerst Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe, die noch in diesem Jahr fällig werden. Weitere erhebliche Nachforderungen sind zu erwarten und auch zukünftig drohen wesentlich höhere steuerliche Belastungen. Damit ist die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht.

Das Finanzamt Berlin handelt damit anders, als das Finanzamt Oberhausen-Süd, das der Landesvereinigung NRW die Gemeinnützigkeit am 22. Oktober gewährt hat. In beiden Fällen war derselbe Vorwurf erhoben worden. Er besteht darin, dass die Landesvereinigung Bayern der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht wiederholt als linksextremistisch beeinflusst dargestellt wird. Während das Finanzamt Oberhausen-Süd der Widerrede der VVN-BdA im Anhörungsverfahren entsprach, beharrt das Berliner darauf, dass „der volle Beweis des Gegenteils, als Widerlegung der Vermutung als extremistische Organisation“ nicht erbracht worden sei.

Das bedeutet, dass die Bewertung durch eine nachgeordnete bayrische Landesbehörde, die laut bayrischem Gerichtshof keine Tatsachenbehauptung darstellt, demnach über das Schicksal einer bundesweit arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisation entscheiden dürfen soll.

Von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse 1947 gegründet, ist die VVN-BdA seitdem die größte, älteste, überparteiliche und überkonfessionelle Organisation von Antifaschistinnen und Antifaschisten Deutschlands. Sie vertritt die Interessen von Verfolgten und Widerstandskämpfern, sowie deren Nachkommen, tritt für Frieden und Völkerverständigung ein und hat gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit geraten sind, u.a. durch den Einsatz für die Errichtung von Gedenkstätten und Erinnerungsorten und vielfache Zeitzeugenarbeit. Sie informiert über aktuelle neofaschistische Umtriebe und organisiert den Widerstand in breiten Bündnissen.

Wir sind entsetzt und empört darüber, dass sich das Berliner Finanzamt die haltlosen Unterstellungen der bayrischen Behörde ungeprüft zu eigen macht. Damit behindert es genau das zivilgesellschaftliche Engagement, das von Regierung und Parteien angesichts schrecklicher rechtsterroristischer Verbrechen allenthalben eingefordert wird.

Wir fordern die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für unsere Organisation!

Wir fordern praktische Unterstützung für alle zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die die Grundwerte des Grundgesetzes gegen rassistische, antisemitische, nationalistische und neofaschistische Angriffe verteidigen!

Cornelia Kerth und Dr. Axel Holz Bundesvorsitzende

Brief an den Landeshauptmann

Verantwortung übernehmen und der extremen Rechten entgegenstellen!

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,

Seit Jahren nimmt die Zahl der rechten Straft- und Gewalttaten in Oberösterreich zu. Gedenkstätten erleben Jahr für Jahr rechte, rassistische und antisemitische Schmierereien, ohne  dass die Täter*innen gefunden und die Straftaten aufgeklärt werden.

Eine konsequente Verfolgung dieser und eine Problematisierung, insbesondere durch Ihr Amt, sind in der heutigen Zeit wichtiger denn je.  Europa erfährt einen Rechtsruck und mit ihm kippt die gesellschaftliche Stimmung. Übernehmen Sie Verantwortung, zeigen Sie Courage und klare Kante gegen rechte, antisemitische und rassistische Hetze in diesem Land!

Dazu gehört auch die Solidarität mit Opfern rechter Gewalt, lückenlose Aufklärung rechter Straftaten, auch derjenigen im Umfeld von Gedenkstätten, wie der Gedenkstätte Mauthausen und seinen Nebenlagern, aber auch eine Distanzierung und Ablehnung des Burschenbundballs oder Veranstaltungen wie „Verteidiger Europas“.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie haben betont, dass rechte und antisemitische Strömungen wirksam bekämpft werden müssen – lassen Sie Ihren Worten Taten folgen und stehen Sie für ein demokratisches, tolerantes Oberösterreich ein!
Mit freundlichen Grüßen

Mauthausen Komitee Deutschland

MKD – Das Dachverbandstreffen

`Auf halben Wege´ trafen wir uns am ersten Novemberwochenende mit unseren Stuttgarter FreundInnen in Waltershausen/Thüringen zum jährlichen Dachverbandstreffen. Neben organisatorischen Fragen zu den Befreiungsfeierlichkeiten 2019, dem Bericht über das letzte Arbeitstreffen des  Comité International de Mauthausen (CIM) in Amsterdam, der allgemeinen Situation in Mauthausen und Loibl, diskutierten wir auch das Schwerpunktthema für die kommenden Befreiungsfeierlichkeiten: Niemals Nummer, immer Mensch. Dabei streiften wir Fragen bezüglich der instrumentellen Vernunft, der verwalteten Welt, die Fragen nach Verantwortung und Solidarität, aber auch der Ohnmacht in einem sich totalitär zuziehenden Europa voller Nationalismus. Wir waren uns durchaus einig, dass die oft zitierten Anfänge, denen es doch zu wehren gelte , bereits weit und lange überschritten sind. Das ist durchaus eine Niederlage. Dennoch Ohnmacht entbindet uns nicht von Verantwortung. Neben der Form des Mahnens , des Erinnerns, des Bewußthaltens  wird die eigene Reflexion über die Verhältnisse sowie das aktive Verweigern und Widerstehen in der kommenden Zeit durchaus von größter Bedeutung sein. Das machte uns auch der Besuch am `Erinnerungsort Topf und Söhne´ im Rahmen unseres Treffens sehr deutlich. Die engagierte Führung von Rüdiger Bender ( Vorsitzender des Förderkeises dieses Erinnerungsortes) erhellte uns viele Momente, die uns in unserer Diskussion begegneten. Die Brieffloskel „Stets gern für Sie beschäftigt,…“ ist groß aufgetragen worden am ehemaligen Verwaltungsgebäude  dieser “ ganz normalen Firma“. Der Gang durch die Ausstellung klärt schließlich auf. 

Das Reflektieren über die täglichen  „Normalitäten“ bleibt sicher unerlässlich und mit einem kleinen Nein, entwischt man vielleicht hier und da der Ohnmacht und rettet im besten Fall etwas Glück für sich und die Anderen. Zu den Befreiungsfeierlichkeiten 2019 in Mauthausen werden wir zahlreich und in verschiedenen Generationen zusammenkommen, bewusst und solidarisch. Bis dahin und danach gibt es täglich einiges zu tun und sehr viel zu verweigern.                                                                                    weisi

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„Techniker der ‚Endlösung‘. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“
https://www.topfundsoehne.de/ts/de/ausstellungen/dauerausstellungen/techniker_der_endloesung/index.html

Besuch der Gedenkstätte

Anfang Oktober, mein dritter Besuch in diesem Jahr, begrüßte uns Andreas Baumgartner an den Toren der Gedenkstätte Mauthausen um unsere kleine Gruppe Pädagog*innen, Multiplikator*innen und Interessierte durch die Gedenkstätte zu führen. 

Es war eine interessante, bewegende Führung – ich wäre auch noch vier weitere Stunden mit seinen Geschichten und seinem Blick durch die Gedenkstätte gelaufen. Doch das Programm der Studienreise ginge weiter…Aktuell steht weiterhin ein großer Bauzaun vor der Todesstiege. Ein Betreten, ein Erinnern oder gar die Vermittlung des Ortes sind nicht möglich. Nach der Führung trafen wir Anni. Es war eine große Freude und Überraschung für alle. Es ist doch auch sehr schön bekannte Gesichter wiederzusehen. 

Pressemeldung MKÖ vom 28.09.2018:

Massnahmen am Ort des ehemaligen KZ-Außenlager Loibl Nord: Mauthausen Komitee protestiert

Das Mauthausen Komitee Österreich arbeitet, gemeinsam mit seinen lokalen Initiativen, bereits seit Jahrzehnten an der wissenschaftlichen Aufarbeitung, an der Vermittlung der Geschichte der ehemaligen Außenlager des KZ Mauthausen und veranstaltet jährlich mehr als 90 Gedenk- und Befreiungsfeiern österreichweit. Die jährliche Befreiungsfeier am Ort des ehemaligen KZ-Außenlagers Loilb Nord ist eine davon. Nun kam es zu Veränderungsmaßnahmen vor Ort im Rahmen eines Projekts der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial“.

Solche Maßnahmen ohne die lokale Initiative des Mauthausen Komitee Österreich, die sich seit vielen Jahren die Gedenk- und Erinngerungsarbeit am Loibl durchführt, zu setzen, zeigt von mangelnde Sensibilität und Professionalität“, so der MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi.

Bei einer Veranstaltung zum „Tag des Denkmals“ wird das Projekt der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial“, das sich den Namen „Erweiterung der KZ-Gedenkstätte“ gegeben hat, erstmals am Standort des ehemaligen Kärntner Mauthausen-Nebenlagers „Loibl-KZ-Nord“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška wird an der Veranstaltung aus Protest nicht teilnehmen.

Wir protestieren sowohl gegen die Vorgangsweise der Planung dieses Projekts (Intransparenz der Vorabsprachen und der Entscheidungsverläufe) als auch gegen das Endergebnis, mit dem sich nun Kärnten konfrontiert sieht: mit der Verhüllung der baulichen Überreste der ehemaligen KZ-Waschbaracke durch einen  „Sarkophag“ aus Beton und mit den zugedeckten Grundrissen der ehemaligen Küchenbaracke und des Appellplatzes, die bereits zuvor durch die Rekonstruktion sichtbar waren. Wir sehen in den vollzogenen Veränderungen eine Verdeckungsmaßnahme, die weder mit der Notwendigkeit des „Denkmalschutzes“ begründbar ist, noch unseren Vorstellungen von einer „Erweiterung“ der im Entstehen begriffenen Gedenk- und Lernstätte entspricht“, so Manfred Morokutti, Obmann Mauthausen Komitee Kärnten/ Koroška.

Da die getroffenen Veränderungsmaßnahmen die Vermittlungsarbeit der „Mauthausen-Außenlager-Guides“ vor Ort sehr erschweren und die Gedenk- und Erinnerungsarbeit ad absurdum führen, fordert das Mauthausen Komitee Kärnten/ Koroška die Verantwortlichen dazu auf, den vorherigen Zustand des Geländes wieder herzustellen, den Sarkophag zu entfernen und die bereits vorhandenen Konzepte der Sichtbarmachung und Unterschutzstellung entsprechend den Erfordernissen des sensiblen und belasteten Ortes so rasch als möglich umzusetzen.

Rückfragen:

Mauthausen Komitee Österreich: Willi Mernyi, MKÖ-Vorsitzender

Tel. 0664/1036465, 01/2128333 E-Mail: info@mkoe.at, Web: http://www.mkoe.at/presse; www.mauthausen-guides.at

Mauthausen Komitee Kärnten/ Koroška : Manfred Morokutti, Obmann
mk-kaernten@mkoe.at; Mobil 0650 4108208

Mauthausenfahrt 2019

Derzeit planen wir die Fahrt zu den Befreiungsfeierlichkeiten nach Mauthausen vom 2. bis 7. Mai 2019. Mit dabei werden neben einigen Mitgliedern des Komitees auch Schulklassen aus Berlin und Brandenburg sein – aber auch befreundete Initiativen, denen die antifaschistische Jugend- und Bildungsarbeit wichtig ist. Selbstverständlich können auch Privatpersonen und Interessierte an der Reise teilnehmen.
Wendet euch also einfach gerne an uns: kontakt[@]dmko.de

Derzeit planen wir: 

  • Besuch der Gedenkstätte Hartheim
  • Besuch der Gedenkstätte Mauthausen
  • Zeitzeuginnengespräch mit Anna Hackl
  • Teilnahme an den Befreiungsfeierlichkeiten in Mauthausen und Ried
  • Teilnahme an der Sitzung des Internationalen Mauthausen Komitees
  • Audioweg in Gusen
  • Besuch des Stollen der Erinnerung in Steyr
  • Teilnahme an der internationalen Jugendbegegnung in Gusen

Zubetonierte Erinnerungen

Aus: Ausgabe vom 29.08.2018, Seite 15 / Antifa

Von Anika Taschke

Auch in diesem Jahr unternahm die Organisation »Zivilcourage vereint« e. V. mit der Bundestagsabgeordneten Dr. Gesine Lötzsch von Die Linke und jungen Menschen aus ganz Deutschland eine Reise auf den Spuren des antifaschistischen Widerstandes in Europa. Diesmal nach Österreich und Slowenien. Am 2. August traf die Gruppe das erste Mal zusammen. Teilnehmende im Alter von 16 und 26 Jahren, aktiv in den Bereichen Antifaschismus, Antirassismus und Demokratie, hatten sich zur Studienreise angemeldet und fuhren zum Startpunkt nach München. Von dort aus folgte eine sechstägige Reise mit Gedenkstätten- und Museumsbesuchen, Zeitzeugengesprächen und abenteuerlichen Wanderungen. Bereits an der ersten Station, der ehemaligen »Euthanasie«-Stätte Schloss Hartheim bei Alkoven in Oberösterreich, fiel den Reisenden auf: Ein großes Interesse der Nachbarschaft an dem Thema und dem Ort in ihrem eigenen Dorf gibt es nicht.

In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen stieß die Gruppe auf Eigenheiten, die sie im Gespräch mit der Leiterin der pädagogischen Abteilung, Gudrun Blohberger, kritisch hinterfragte. Seit April dieses Jahres sind Treppen und einige Wege innerhalb der Gedenkstätte abgesperrt. Darunter fällt auch die sogenannte Todesstiege. Errichtet wurde sie, um die Steine des unterhalb liegenden Steinbruchs in das Lager zu transportieren – getragen unter größter Anstrengung von Häftlingen des Konzentrationslagers und beschleunigt durch Peitschenhiebe der SS. Heute ist die Treppe aufgrund baulicher Maßnahmen und eines erhöhten Sicherheitsrisikos gesperrt. Ein Gedenken und Erinnern, nicht einmal ein Besehen der historischen Treppe und des Tatorts »Todesstiege« ist möglich. Eine neue Bauvorschrift sei daran schuld. Sie regele, dass nach 20 Stufen ein Podest gebaut werden muss, um Stürzende zu schützen. Eine Regelung, die uns auf der ganzen Reise nicht wieder begegnete. »Einmal mehr wird deutlich, dass Geschichte und Erinnerungen nicht selbstverständlich sind«, mahnte Gesine Lötzsch. »Wir müssen um diese kämpfen und vermeidlich kleine Verwaltungsakte hinterfragen, bevor historische Originale und Beweise verschwunden sind.« 

In Gusen, einem Nebenlager von Mauthausen, steht nichts mehr. Ehemalige Häftlinge kauften dort 1961 ein Grundstück, um ein kleines Museum zu ermöglichen. Seit einigen Jahren gibt es ein Kunstprojekt, das für Besucher trotzdem den Lageralltag und das Verbrechen von Gusen I und Gusen II erfahrbar machen soll. Ein Audioweg führt durch das Dorf. Mit Kopfhörern läuft man durch die Einfamilienhaussiedlung, eine Stimme beschreibt den Weg, Zeitzeugen, Opfer, Häftlinge, aber auch Anwohner kommen so zu Wort. Erwünscht fühlt man sich zwischen den großen Grundstücken nicht. Einige Wege wurden gesperrt, die Zäune wirken besonders hoch.

In der Gedenkstätte Loibl Nord wurde vor rund fünf Wochen das Fundament der ehemaligen Waschbaracke zubetoniert – aus Gründen der Konservierung, heißt es. Nichts, kein Stein, deutet darauf hin, dass hier noch Originalmauern vorhanden sind. »Originale sind für uns junge Menschen doch viel beeindruckender. Warum entfernt man sie?« fragte Samantha, eine Teilnehmerin der Gruppe. Schockierte Gesichter und viele Fragen am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Loibl Nord – ein Gedenkort, der erst vor einigen Jahren entstand, auf Druck des Mauthausen-Komitees Kärnten/Koroška. Gerti, unser Guide und Mitglied des Komitees, nahm die Eindrücke der Gruppe auf. Auch für sie ist es unverständlich, was hier geschehen ist. Doch einbezogen wird das Komitee schon seit Jahren nicht, dabei erarbeitet es immer wieder Vorschläge für die Konzeption der Gedenkstätte.

Anna Hackl und Zdravko Haderlap empfingen die jungen Menschen und erzählten ihre Geschichten. Annas Mutter versteckte 1945 zwei geflohene sowjetische Häftlinge des KZ Mauthausen bis zum Ende des Krieges. Zdravkos Vater war selbst im Kärntner Widerstand und ist mit den Geschichten der Partisanen aufgewachsen. Beide wurden von diesen Erfahrungen geprägt – sie arbeiten bis heute mit jungen Menschen und erzählen aus den unterschiedlichsten Perspektiven, dass Widerstand möglich war und heute wieder nötig ist. Anna Hackl bat die Teilnehmer am Ende des Gespräches, dass solche Verbrechen nie wieder stattfinden dürfen und dass wir, die heutigen Generationen, uns täglich für eine solidarische, friedliche und tolerante Gesellschaft einsetzen mögen.

»Es zieht sich durch unsere Reise. Die rechte FPÖ setzt ihr Programm durch«, warnte Gesine Lötzsch. Von deutschen Politikern werde die Entwicklung in Österreich noch bejubelt. »Wir müssen uns dem Rechtsruck in Europa deutlich entgegenstellen«, sagte Lötzsch zum Abschluss. Seit Jahren fährt sie in Länder des antifaschistischen Widerstandes. Auch in Polen, Slowenien, Serbien oder Kroatien zeigen sich vor diesem Hintergrund deutliche Veränderungen in der Erinnerungspolitik und der Gedenkstättenarbeit.

Auf Reisen wie dieser werden Inhalte vermittelt, die im Geschichtsunterricht keinen Platz finden. Aber sie sind für das Verständnis der aktuellen Politik und der Gefahren von heute mehr als wichtig.

Hier der Artikel auf jungewelt.de

Loibl Nord: ein Brief

Liebe Freundinnen und Freunde,

Gestern haben mich beiliegende, erschreckende Bilder von der KZ-Gedenkstätte am Loiblpass (Loibl Nord) erreicht. Diese Fotos zeigen die Überreste der ehemaligen Waschbaracke (vorheriger Zustand und aktueller Zustand), eine der wenigen baulichen Überreste des KZ des Nordlagers.

Klar, der Betonboden der Waschbaracke war kaputt, aber es war deutlich zu erkennen, dass es sich dabei um den Boden früherer Duschen handelt. Damit diese Relikte einerseits erhalten bleiben, aber andererseits auch für die Vermittlungen genutzt werden können, wäre eine Überdachung als Wetterschutz und eine behutsame Fixierung der Betonteile möglich gewesen.

Wie ihr auf den Fotos aber sehen könnt, wurden sämtliche Relikte der Waschbaracke in neuen Beton eingegossen. Unsere Freunde vom Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška, die seit Jahrzehnten für diese Gedenkstätte arbeiten und ohne deren Einsatz es diesen Ort so gar nicht mehr geben würde, wurden von dieser Aktion nicht informiert, weder vorher noch nachher.

Können wir uns vorstellen, dass in Auschwitz-Birkenau die Reste des gesprengten Krematoriums in einen modernen Beton-Sarkophag eingegossen werden? Undenkbar!

Wie es scheint, hat die Bundesanstalt Memorial Mauthausen jetzt bevorzugt ihren Fokus auf das Betonieren verlegt, nach dem Betonturm („Turm der Schande“) in Mauthausen jetzt die nächste, mit niemanden abgesprochene Aktion.

Es ist in dieser Form ein Skandal, dass ohne jede Information an die anderen Beteiligten mit massivem Beton in KZ-Gedenkstätten eingegriffen wird. Der „Turm der Schande“ in Mauthausen könnte wahrscheinlich abgerissen werden, ohne dass sichtbare Schäden an der historischen Bausubstanz zurückbleiben. Die Reste der Waschbaracke des Loibl-KZ sind wahrscheinlich für immer unter Beton verschwunden.